Triode oder Pentode –
das ist die Frage.
Wer sich intensiv mit der analogen Audiotechnik beschäftigt, erfolgreich seinen edlen Plattenspieler reaktiviert und seine Plattenbestände nach lange nicht gehörtem durchforstet hat, wird irgendwann mit der Frage konfrontiert, ob sich das analoge Musik- Genießen nicht auch noch durch einen Röhrenverstärker verstärken lässt.
Geschichtliches
Das älteste analoge Verstärkerbauelement ist die Röhre. Die Entdeckung Edisons aus dem Jahr 1886, daß sich von einer glühenden Drahtwendel (Kathode) im Vacuum Elektronen fortbewegen und von einer Platte (Anode) angezogen werden, wenn diese gegenüber der Kathode positiv geladen ist, wurde durch die Amerikaner Flemming (1904), Lee de Forest (1905) und den Österreicher Robert von Lieben (1906) aufgegriffen.
Letzterer entdeckte, daß sich dieser Elektronenstrom durch ein zwischen der glühenden Kathode und der Anode befindliches Gitter in weiten Teilen beeinflussen läßt. An dieses Gitter brauchte nur eine kleine negative Spannung angelegt zu werden, um den Elektronenfluß zu behindern.
Er konstruierte auf diese Weise die erste Verstärkerröhre.

Bauteile einer Röhre: Kathode, Gitter, Anode (von links)
Ab 1914 wurden dann Röhren nach diesem Prinzip von Telefunken in Serie gebaut.
Diese 3-Elektroden-Röhren (Kathode-Gitter-Anode) wurden zunächst für die Verstärkung von Telefonsignalen genutzt, um Ferngespräche über tausende Kilometer zu realisieren.

50 Jahre Telefunken-Röhren
1922 (RE11), links – 1972 (EF83) rechts
Die Klassifizierung der Röhren wird mit griechischen Buchstaben bezeichnet:
Triode = Dreielektrodenröhre
Pentode = Fünfelektrodenröhre
Es gibt natürlich noch weitere Röhren mit mehreren Elektroden oder sogenannte Mehrfachröhren, die mehrere Systeme in einem gemeinsamen Glaskolben vereinen. Hier beschränken wir uns jedoch auf die für Audio-Zwecke relevanten Typen.
Die Funktionen von
Triode und Pentode
Die Triode – näher betrachtet
Bei der näheren Beschäftigung mit der Verstärker-Röhrentechnik, wie es in diesem Beitrag geschehen soll, kommt man um das Lesen von Röhrendaten, Sockelschaltungen und die Betrachtung von Kennlinien nicht ganz herum. Doch das ist viel einfacher, als zunächst befürchtet. Das Schaltzeichen der Röhren allgemein ist zum Beispiel ihrem natürlichen Aufbau sehr ähnlich:

Sockelbild einer Triode
g und a bezeichnen die Anschlüsse der Elektroden Gitter und Anode, -f und +f sind die Anschlüsse der Kathode. Diese besitzt immer zwei, denn zum Heizen muss bekanntlich Strom fließen.
Wird nun zwischen Kathode und Anode eine Spannung angelegt, passiert zunächst nichts. Erst, wenn die Kathode mit einer Batterie, angeschlossen zwischen -f und +f geheizt wird, treten Elektronen aus ihr aus, und verursachen einen Stromfluss. Wird nun das Gitter negativ gegenüber der Kathode geladen, wird dieser Stromfluss vermindert. Je nach Röhrentype (Vorstufe oder Endstufe) erzeugt somit eine kleine Wechselspannung am Gitter einen großen Wechselstrom an der Anode. Dieses Gitter bekommt auf Grund seiner Aufgabe den Namen „Steuergitter“ oder Gitter 1 (g1)
Ein klein wenig Physik
Da zur Ansteuerung einer Röhre nur eine Spannung und – im Gegensatz zum Transistor – kein Strom benötigt wird, lässt sich diese leistungslos in ihrer Verstärkung verändern.
Bei einer Triode ist aber die Anodenspannung direkt vom Anodenstrom abhängig. Eine Konstanz dieser beiden Größen ist durch die Stromversorgung und die Schaltung des Verstärkers mit Trioden nicht mehr gegeben. Mit Schwanken des Anodenstromes verschiebt sich dadurch der Arbeitspunkt der Röhre mit der Aussteuerung. Mit der Verschiebung des Arbeitspunktes aber geht die Symmetrie des Signals verloren, da die Kennlinie, die den Zusammenhang zwischen Steuergitterspannung (Ug) und Anodenstrom (Ia) darstellt, durch physikalische Gegebenheiten gekrümmt ist.

Kennline einer Triode (Ia Ug – Anodenstrom – Gitterspannungs-Kennlinie)
Bewegt sich die Aussteuerung im gekrümmten Bereich der Kurve, führt das unweigerlich zu Verzerrungen. Diese sind bei einer Triode aber unter Umständen gerade mehr beliebt, denn gefürchtet.
Daher erfreuen sich echte “Triodenverstärker” in der Audio-Technik großer Beliebtheit, da sie angenehm weich mit steigendem Pegel k2 steigen lassen, welches nichts anderes bedeutet, dass der ursprüngliche Ton mit seiner eigenen Oktave überlagert wird, was sehr musikalisch klingen kann. Diese Verzerrung wird als „quadratisch“ bezeichnet.
Die Pentode – näher betrachtet
In der Pentode werden die Verhältnisse an der Anode durch ein weiteres Gitter von der Ansteuerung entkoppelt. Dieses Gitter – eingefügt zwischen Steuergitter und Anode, und immer mit einer hohen positiven Spannung beaufschlagt, sorgt durch seine Schirmwirkung dafür, dass der Strom auf dem Weg von der Kathode durch das Steuergitter für die Anode relativ konstant bleibt und die Spannungsverhältnisse an der Anode dadurch stabiler werden. Der Wirkungsgrad der Röhre und der Verstärkungsfaktor steigen. Der Name für dieses Gitter: Schirmgitter (g2). Es wurde übrigens nach vielem Forschen um den Elektronenfluß und seine Eigenarten im Jahre 1919 eingeführt.
Wer bis hierher mitgezählt hat, stellt fest, dass zur Vervollständigung der Pentode auf 5 Elektroden noch eine fehlt: Es ist ein weiteres Gitter kurz vor der Anode: das Bremsgitter. Dieses ist im Laufe der Entwicklung der Röhre notwendig geworden, da bei geringer Anodenspannung Elektronen von dieser wieder zurückprallen, und durch die elektrischen Verhältnisse am Schirmgitter – sie werden durch dieses, da positiv geladen, angezogen - starke Verzerrungen verursachen. Dieses dritte Gitter (g3) macht die Röhre endgültig zur Pentode und ist (fast) immer mit der Kathode, also dem negativen Pol der Schaltung verbunden.

Sockelbild einer Pentode
Auch hier bezeichnen wieder die Klein-Buchstaben die entsprechenden Elektroden.
Bei einer Übersteuerung dieses Röhrentyps sehen die Verzerrungen allerdings anders aus als bei der Triode.
Die Pentode ist bei der Aussteuerung härter, da durch Gitter 2 die Abhängigkeiten von Ua und Ia entkoppelt sind.
Der Arbeitspunkt ist dafür stabiler, dadurch die Kennlinie in der Mitte gerader und im Falle der Übersteuerung können unangenehmere “Misstöne” auftreten. Diese Misstöne werden hervorgerufen durch k3, einem Oberton, welcher der Quinte vom Grundton entspricht. (Transistorverstärker, analoges Tonband, Klarinette, gedackte Orgelpfeifen zum Beispiel haben vornehmlich diesen Oberton). Diese Obertöne passen daher nicht zu jedem Musiksignal. Man spricht auch von „kubischer Verzerrung“.
An diesem Punkt unterscheiden sich die Funktionen von Triode und Pentode grundlegend, was natürlich einen Unterschied im Klangverhalten mit sich bringt.
Klassische Trioden-Röhrenverstärker bedienen sich heute vornehmlich größerer Senderöhren, die meist als Trioden gebaut wurden, recht große Leistungen abgeben können und: bei Geräten mit sichtbaren Röhren, obendrein meist recht gut aussehen.


Senderöhren für Audio-Zwecke (RS1003 Siemens, rechts und GU81M Sovtek, links)
Eine Anpassung über einen für den Lautsprecherbetrieb nötigen Ausgangstrafo ist nicht sehr kompliziert, da Trioden von Natur aus einen kleineren Innenwiderstand haben. Im SE-Betrieb befindet man sich je nach Lautstärke und damit ausgesteuerter Endtriode mehr oder minder im geraden Teil der Kennlinie. Wird weitere Leistung gefordert, wird k2 vergrößert, was durchaus begrüßenswert sein kann. Diese Übergänge sind, bedingt durch die Krümmung der Kennlinie, sehr fließend.
Ganz anders sieht es bei Verstärkern mit Pentoden aus.
Bei normalem Betrieb ist bei sehr gut dimensionierten Verstärkern auf den ersten Eindruck gar nicht zu hören, dass es sich um Röhrenverstärker handelt. Erst bei weiter Aussteuerung nehmen rasch die vorher beschriebenen Übersteuerungen mit k3 zu und sie können sehr schnell unangenehm werden. Gitarren-Verstärker aus der Musikerbranche nutzen diesen Effekt für die musikalische Klanggestaltung aus. Man spricht von „Dirty“ oder „Overdrive“, im Gegensatz zum „Cleanen“ Sound. Diese Verstärker arbeiten mit Röhren wie der EL34 oder der amerikanischen 6L6. Beides Endpentoden mit sehr großer Leistung, wenn sie mit Anodenspannungen bis hinauf zu 800 Volt betrieben werden.
HiFi-Verstärker, die mit Pentoden arbeiten, wurden früher von den Firmen Braun mit Röhren aus der Fernsehtechnik (PL 504), Klein & Hummel mit der sehr seltenen EL 5000 oder McIntosh mit der KT88 gebaut.

Telefunken-Verstärker mit Pentode EL156 (Detail)
Auch LEAK darf nicht unerwähnt bleiben: Hier gab es die kleine LEAK-Stereo 20 (bestückt mit der EL84) und die große LEAK-Stereo 60 (bestückt mit der EL34) Version.
Es handelt sich heute um Klassiker in der HiFi Röhren-Branche und McIntosh hat sogar seinen „MC275“ wieder neu aufgelegt.
Wenn man sich, wie vorher schon erwähnt, ein wenig mit den Sockelschaltungen der klassischen Röhren beschäftigt, fällt beim Betrachten der Pinbelegungen einiger Pentoden auf, dass es ja ohne weiteres möglich ist, eine Pentode als Triode zu betreiben. Es müssen nur die Gitter zwei und drei mit der Anode verbunden werden, damit sie gleiches Potential erhalten und schon verhält sich die gesamte Röhre wie eine Triode. Dies ist jedoch nur bei Röhren möglich, wenn das Gitter drei an einem gesonderten Anschluß herausgeführt ist (Siehe zum Beispiel EL34). Bei vielen Endpentoden ist es intern mit der Kathode verbunden.
Diese Idee ist so alt, wie die Röhrentechnik selbst und durchaus legitim. Es gibt sogar schon Verstärker, bei denen es durch Knopfdruck möglich ist, vom Pentoden- in den Trioden-Betrieb umzuschalten. Die Firma Ayon-Audio zum Beispiel hat ein solches Gerät im Programm.
Was bringt denn jetzt der Unterschied zwischen Triode und Pentode für den Anlog-Genießer?
Zunächst einmal ist die maximal abgebbare Leistung einer Triode immer kleiner, als die einer Pentode. Dafür verhält sich die Triode gegenüber fehlangepaßten Lautsprechern genügsamer, da sie durch ihren geringeren Innenwiderstand diesem einen höheren Dämpfungsfaktor bietet und: Verzerrungen sind nicht so unangenehm, da harmonischer.

Schaltungsauszug Verstärker mit Triode
Die Pentode hingegen hat, aufgrund ihres höheren Wirkungsgrades die höhere Leistung, ist über weite Teile der Dynamik im Musiksignal recht neutral was Verzerrungen anbelangt, hat aber den Hang, hohe Frequenzen bevorzugt zu verstärken, was in vielen Schaltungen durch entsprechende Gegenkopplungen wieder ausgeglichen werden muß.

Schaltungsauszug Verstärker mit Pentode
Die Triode wird gern an Breitbandsystemen betrieben, die Schaltung und der Verstärkeraufbau sind recht übersichtlich, eine Gegenkopplung ist nicht immer nötig.
Die Pentode hingegen liefert, mit guter Anpassung, durchaus Leistungen, die große Lautsprecherkombinationen treiben können. Der Schaltungsaufwand ist größer, die Dimensionierung der Bauteile kritischer, eine Gegenkopplung zur Minimierung der kubischen Verzerrungen meist unvermeidlich. Dafür ist der Klang neutraler und vielleicht nur in Nuancen dem einer Röhre zuzuordnen.
Studio-Verstärker wurden ausnahmslos mit Pentoden realisiert.
Wer gern einmal seinen Verstärker von Pentoden- auf Triodenbetrieb modifizieren möchte, kann sich gern an mich wenden:
Ein Wermutstropfen aber noch zum Schluss: Aus einem Trioden-Verstärker kann nicht ohne weiteres ein Pentoden-Amp gemacht werden.