Uli´s Pegel-Einmaleins
In der Tonstudiotechnik läuft alles elektrisch – zumindest von Membran bis Membran. Es beginnt hinter der Mikrofonmembran und endet kurz vor der Lautsprecher- oder Kopfhörermembran.
Diese Elektrizität wird eigentlich in Volt gemessen und die Dimensionen, die es gibt, zwischen ganz leise und sehr laut, erstrecken sich von einigen Nanovolt bis hin zu 20 000 000 000 Nanovolt.
Anders ausgedrückt, es sind Spannungen von 0,000 000 001 Volt bis 20 Volt.
Hier ist zu erkennen, daß diese Zahlenkolonnen schnell sehr unübersichtlich werden können.
Abhilfe schafft dort die Logarithmenrechnung zur Basis 10, da sich mit ihrer Hilfe genau diese Zahlenkolonnen viel einfacher durch Addition anstelle von Multiplikation oder Division ausrechnen lassen. Außerdem kann man bei dieser Gelegenheit gleich eine weitere Hürde überwinden: Soll z. B. eine Mikrofonspannung in einem Verstärker um einen Faktor x verstärkt werden, braucht man an dieser Stelle auch nicht mehr mit großen Zahlen zu jonglieren.
Angenommen, das Mikrofon gibt bei einem bestimmten Schallpegel (meist wird hier mit 94phon beschallt) eine Spannung von 15 Milli-Volt ab und ich benötige im Studio z. B. für die Aussteuerung eines Audio-Interfaces 1,5 Volt, so benötige ich einen Verstärkungsfaktor von 100.
Anders ausgedrückt: An meinem Mischpult herrscht das Spannungsverhältnis 1500 Milli-Volt : 15 Milli-Volt. Ausgangsspannung : Eingangsspannung.
Der Logarithmus zur Basis 10 des Verhältnisses 2er Spannungen ist eine dimensionslose Größe, die erst durch den Erfinder des Telefons, Alexander Graham Bell eine Bezeichnung bekommt: Zu seinen Ehren hat man zunächst definiert, daß die Verdoppelung einer Leistung der Zunahme um ein Bel entspricht. Da die Bel-Werte aber recht grobschlächtig sind, hat man sich entschlossen, den 10. Teil, eines Bel zu verwenden. So wurde aus dem Bel
das Dezibel (1/10 Bel).
Rechnerisch lösbar ist das durch die Formel
10x log (P2 : P1), wobei das P für die Leistung steht.
Mathematisch und elektrisch läßt sich aber jede Leistung in eine Spannung umrechnen, wenn eine weitere Größe – z. B. der Widerstand - bekannt ist. Der Zusammenhang geht über ein quadratisches Verhältnis.
Somit ergibt sich für die Pegelrechnung mit Spannungen:
20x log U2 : U1
Das ergibt für unser 1. Beispiel:
20x log 100 = 20x 2 = 40dB!
Das heißt, um diesen Mikrofonpegel über das Pult an eine Maschine anzupassen, bedarf es einer Verstärkung von 40 dB.
Beispiel 2:
Habe ich nur einen Pegel von 1,5 mV, so benötige ich:
20x log U2:U1 = 20x log 1000 = 20x 3 = 60dB.
Man merkt schnell: Diese Art der Rechnung ist etwas leichter, als die Multiplikation mit Faktoren.
Hier erkennen wir auch schnell die Systematik:
Faktoren von 1, 10, 100, 1000 entsprechen den Pegeln 0, 20, 40, 60 dB.
Auf der anderen Seite kann es vorkommen, daß die Ausgangsspannung kleiner ist, als die Eingangsspannung, wir also ein Verhältnis von z. B. 1/10 haben. Hier wird das Ergebnis der Rechnung Negativ (-20dB). Es handelt sich in diesem Beispiel um eine Dämpfung von 20 dB
In der Studiotechnik interessieren aber nicht nur Pegel – oder auch Spannungsverhältnisse, sondern man ist natürlich auch an absoluten Größen interessiert.
Somit bekommt der relative Pegel ein absolutes Gesicht, eine absolute Größe: Man einigte sich – u. a. durch Umrechnungen von Leistungen und Spannungen der frühen Geschichte der Telefontechnik – auf die Definition:
775 mV entsprechen 0 dBu
In den Rundfunkanstalten Deutschlands und vielen Ländern Europas – mit Ausnahme der nordischen Länder– ist der Pegel-Standard bei
+6 dBu entsprechen 1,55 Volt
definiert.
Wenn unser Mischpult nun einen Ausgangspegel von + 6 dBu haben soll, und das Mikrofon bei bestimmter Beschallung eine Spannung von 15mV abgibt, brauchen wir nur noch diese in dBu umzurechnen, und den Wert als „Gain“ an unserem Pult einzustellen. Wenn 1,5 Volt dem Wert + 6 dBu entspricht, dann ist 15 mV der 100. Teil davon also 40 dB weniger. Wir stellen den Gain auf 40 dB.
Mit diesem Verfahren lassen sich jetzt aber auch Messungen anderer Größen in der Studiotechnik ausführen: z. B. die Messung und Angabe des Fremdspannungsabstandes!
Die Physik setzt auch der besten Studiotechnik natürliche Grenzen. Diese sind im unteren Bereich im Rauschen, welches jedes elektrische Bauteil in den Verstärkern erzeugt, und oben, wo größere Spannungen nicht mehr benötigt werden, oder gefährlich werden. Wir bewegen uns im wahrsten Sinn des Wortes zwischen Noise-Floor und Dead End.
Dieser Noise-Floor läßt sich tatsächlich auch in dBu messen: er liegt bei ca. – 118dBu.
(Der Physiker bezeichnet diesen Pegel auch als dBqp). Es ist das Rauschen eines 200-Ohm-Widerstandes, der einem dynamischen Mikrofon entspricht.
Auf diesen Wert einigte man sich, da diese Art von Mikrofon als das schwächste im Studio gilt.
Wenn ich jetzt an meinem Pult eine Verstärkung von 122 dB einstelle, habe ich ein Rauschen von +4 dBu (theoretisch), denn wir alle wissen, daß kaum ein analoges Pult diese Verstärkung hergibt, da es mehr Bauteile enthält als diesen einen Widerstand…..und es soll ja Musik übertragen – kein Rauschen.
Reelle Werte liegen aber durchaus bei -90 dBu – gemessen gegen den Pegel +4 dBu. Der Rauschabstand (hier 94 dB) wird also in der Regel so angegeben.
Wenn nun aber ein Hersteller bei seinem Pult einen maximalen Pegel von z. B. 24 dBu erreicht, verführt dieser Wert natürlich dazu, von dort aus gegen den Noise-Floor zu messen. Er schreibt dann in die technischen Daten: Rauschabstand 110 dB. Das sieht besser aus, ist aber nicht mehr vergleichbar mit einem Pult, welches vielleicht nur 10 dBu am Ausgang liefert.
Hier wäre nur die Angabe 100 dB möglich. Ergo:
Vergleichbar sind Pegelwerte nur bei einem gemeinsamen Bezug.
Vorhin erwähnte ich die nordischen Länder, die beim absoluten Pegel einen anderen Bezugswert definiert haben. Bei diesen Ländern hat man sich statt auf diesen etwas „krummen“ Wert 775 mV für 0 dBu für die glattere Variante entschieden: Man nahm 1 Volt als Bezug.
Damit diese Bezugs-Werte unterschieden werden können, bezeichnet man dort das auf
1 Volt bezogene dB als dBV.
Ganz anders verhält es sich bei der Digitaltechnik. Hier hat man zum Aussteuern keine Spannungen mehr, sondern allein die Bits.
Ein 16-Bit System ist allein durch seinen Wertebereich 0 bis 216 definiert. Das sind 65535 einzelne Amplitudenwerte. Man einigte sich, diese obere Grenze mit 0 dBFS zu bezeichnen, wobei FS für Full Scale steht. In der Digitalen Audiotechnik gibt es demnach keine positiven dBFS-Werte, denn die gesamte Aussteuerung muß unter dieser Marke bleiben. Jeder weiß, wie sich digitale Übersteuerung anhört.
Man hat eben keine Möglichkeit, durch Übersteuerung in das 17. Bit zu gelangen.
Da aber jedes digitale Gerät analog angesteuert wird, und hier ist es gerade der A/D-Wandler, hat man sich hier auch schnell geeinigt, eine Beziehung zwischen dBFS und dBu herzustellen.
Heraus kam nach langen Versuchen und Konferenzen bei den Rundfunkanstalten für einen reibungslosen Programmaustausch:
0 dBu entspricht – 15 dBFS!
+4 dBu sind dann natürlich -11 dBFS
+6 dBu sind entsprechend -9dBFS.
Sie sehen, aus den dBFS-Werten kann man alle möglichen anderen dB-Werte in Relation setzen.
Uli Apel